Warum verletzen wir Menschen, die wir lieben?

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Warum verletzt man Menschen, die man liebt? Vier Tatsachen, die mehr Trost, Verständnis und Mitgefühl zulassen.

Grund 1: Wir wissen es nicht besser

Jeder tut immer sein Bestes. Jeder handelt in jedem Moment nach seinen Möglichkeiten. Niemand macht absichtlich etwas falsch oder schlechter als möglich. Selbst, wenn wir scheinbar absichtlich jemanden verletzen wollen, denken und fühlen wir in diesem Moment, dass wir nicht anders können. Dass wir es tun müssen. Um uns zu verteidigen. Um nicht dumm dazustehen.

Danach kann man schlauer sein. Vielleicht etwas daraus lernen. Aber wir müssen das tun, wovon wir überzeugt sind. Wir können nicht anders – bis wir etwas anderes denken und uns neu entscheiden, anders entscheiden.

Gidon Wagner

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Hi, ich bin Gidon – Journalist und Buchautor. Ich beschäftige mich nun seit über 10 Jahren damit, was Menschen glücklich macht.

2. Weil viele Menschen es zulassen, verletzt zu werden

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht hart; ich meine es nicht so. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht andere Menschen mich verletzen – sondern dass ich mich immer selbst verletze. Indem ich dem anderen glaube, und indem ich mir selbst glaube. Isi sagt, dass ich ein Dampfplauderer bin. Das verletzt mich, wenn ich es selber glaube.

  • Wenn ich aber etwas ganz anderes über mich denke, dann ist es ok, dass Isi das sagt.
  • Wenn ich mir bewusst mache, dass es ihre Sicht ist und nichts mit mir zu tun hat, dann ist es ok, dass Isi das sagt.

Meistens wird es aber so sein, dass es mich trifft. Es trifft mich, weil es da etwas in mir gibt, das anfällig für das Gesagte des anderen ist. Das ruft dann ein Gefühl in mir wach, das bisher geschlummert hat und angesehen und beachtet werden möchte.

Dann ist die beste Strategie, mir bewusst zu machen, WARUM mich das Verhalten des anderen so verletzt.

 Weil ich mit mir selbst nicht besser umgehe und der andere mich daran erinnert. 

Er sagt oder zeigt mir nicht mehr, wie toll ich bin und dass man mich respektieren kann, und schon verliere ich den Boden unter den Füßen.

Ich lasse es zu, verletzt zu werden – besonders von den Menschen, die ich liebe, weil ich von ihnen ganz besonders viel Anerkennung haben will.

Menschen lassen es zu, verletzt zu werden; genau genommen verletzen sie sich mit ihren Gedanken über sich selbst. Der andere ist nur der Auslöser. Und wenn ich jemanden liebe (im Sinne von Haben wollen) dann bin ich besonders empfänglich für ihn. Weil ich will, dass er mich auch liebt. Weil ich ihn von mir überzeugen will. Weil ich seine Anerkennung denke zu brauchen.

3. Weil wir Liebe mit Haben und Wollen verwechseln

Liebst du deinen Partner, während du so richtig wütend auf ihn oder sie bist? Man würde denken, Liebe sei in Stein gemeißelt. Dabei ist sie in den meisten Menschen so zerbrechlich wie eine dünne Eisschicht.

Wer unter Liebe versteht, dass der andere das tut und sagt, was man hören will und dann ist man zufrieden mit ihm oder ihr, verwechselt man Liebe mit Haben und Wollen.

Wahre Liebe kennt keine Verletzung.

  • Ich will, dass der andere genau so ist, wie er ist.
  • Ich will, dass er oder sie genau das sagt, denkt und fühlt, wie es in Wirklichkeit ist.
  • Ich will für ihn das, was er für sich selbst will.

Und ich lebe selbst die edelste Version von mir; hilfsbereit, zärtlich, verständnisvoll, großzügig. Wenn wir aber einen stillen Vertrag mit dem anderen haben, wie er sein sollte, dann verletzt und enttäuscht er uns früher oder später. Er kann nicht immer so sein, wie wir ihn gerne haben wollen.

4. Weil wir zu uns selbst gemein und grausam sind

Selbstkritik ist normal, aber nicht gesund. Die meisten Menschen denken mehr oder weniger schlecht über sich selbst. Sind unzufrieden mit sich, mögen ihren Körper nicht wirklich, verurteilen sich für etwas, das in der Kindheit passiert ist. Die Liste lässt sich weit fortführen. Wer zu sich selbst hart ist, kann aber auch nicht zu jemand anders freundlich sein – zumindest nicht sehr lang.

Und wer über sich selbst schlecht denkt, der wird das in irgendeiner Weise auch von anderen Menschen gespiegelt bekommen.

Jeder kann sich selbst ins Herz schließen und lieben, um andere nicht mehr zu verletzen und um nicht mehr verletzt zu werden. Sicherheit vor Verletzung beginnt hier und jetzt, auf der anderen Seite des Bildschirms. Bei mir und bei dir. Unser Umgang mit uns selbst entscheidet, wie andere mit uns umgehen und wie sich das für uns anfühlt.

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Danke für das tolle Foto von martysantini1995, gefunden auf: pixabay

13 Kommentare
  1. JaneDoe
    JaneDoe sagte:

    Das hat mein derzeitiges Problem ziemlich auf den Punkt gebracht, wieso verletzte ich wen, den ich eigentlich liebe? Je älter ich werde, desto komplexer scheint diese Thema Liebe zu sein. Ich werde noch ein bisschen in deinen anderen Beiträgen stöbern, mir gefällt der Schreibstil!

    Antworten
      • lulu14
        lulu14 sagte:

        ich liebe ihn so sehr doch er hasst mich liebe ihn seid 2 jahren und er hat mich immer wieder verlezt und jezt will ich ihn auch so richtig verleetzen wollte fragen wie?

        Antworten
        • Gidon Wagner
          Gidon Wagner sagte:

          Indem du ihm die schlechten Dinge sagst, die er auch von sich selbst denkt. In Wirklichkeit kann er, du und ich nur uns selbst verletzen – wenn ich mit mir einverstanden und zufrieden bin, kann niemand mir wehtun. Vielleicht gibt es gar keinen Grund, es ihm heimzuzahlen?

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  2. Andre
    Andre sagte:

    Hallo Gideon
    Du hast in diesen Artikel viele wahre Worte geschrieben. Ich habe auch so das Gefühl das ich andere Mitmenschen immer verletze obwohl ich das nicht möchte aber auf der anderen Seite tue ich so handeln wie oben im Beitrag beschrieben. Nämlich mich verteidigen um nicht dumm dazustehen. Öfters Ärger ich mich selber darüber das ich das noch immer mache aber andersherum bleibt mir keine Wahl. Und genau das finde ich so unheimlich Schade ich möchte mich denn anderen schon mitteilen und sie an mein Leben teilhaben lassen aber öfters denke ich ich laufe gegen unsichtbare Mauern. Und das macht mich irgendwie fertig.

    Antworten
  3. dfd
    dfd sagte:

    Mein ex ist depressiv und die ersten Monate hat er dies gut versteckt und hat Schritt für Schritt gezeigt wie er ist, natürlich erst als er wusste dass ich ihn liebe und mich fallgengelassen habe. Da kam die ganze Zeit Kritik, in regelmäßigen Abständen. Da ich an ihn nichts zu kritisieren hatte, ging das weiter so und für mich war dies ein Ungleichgewicht. Er sagte dann sogar dass er wegen 2 Kleinigkeiten nicht mit mir zusammenziehen will. Redete widersprüchlich, Kleinigkeiten aber diese reichten um nicht zusammenzuziehen. Er wurde mal verletzt und aus diesem Grund durfte ich manche Sachen gar nicht ansprechen oder Witze darüber reißen. Ich war immer Schuld an seinen Launen. Wir hatten dann ein klärendes Gespräch und er hat die Beziehung beendet. Er meinte, wie ich mir denn vorstelle wenn die Sachen für ihn nicht passen, dass er seine Wohnung aufgibt! Er hat nur eine einfache Mietwohnung mit Balkon mit Blick auf der Straße und er hat kaum Wertsachen in der Wohnung. Er mochte auch meinen Humor nicht, angeblich wiederholte ich was er sagte oder beschuldigte mich dass ich ihm Sachen mit böser Absicht angetan habe. Er wollte auch zu keiner Paartherapie usw. Hat mich einfach aus dem Leben geworfen und mich vorher jedes Mal verletzt obwohl ich immer Rücksicht auf ihn genommen habe. Leider sind viele depressive Menschen Egoisten und haben hohe Ansprüche, der Partner soll perfekt sein und ihre Bedürfnisse perfekt erraten, andere Themen gibt es kaum. Ich habe versucht, die Kritik nicht zu persönlich zu nehmen aber das finde ich in einer Beziehung sehr schwer. Solche Menschen machen es schwer, langfristig einen liebevollen Partner zu haben, ich glaube da können nur Partner mit wenig Selbstwert und sehr unterwürfige Personen mit ihnen bleiben. Ich möchte aus diesem Grund Personen mit psychischen Problemen meiden, da als Dank nur verletzt wird und solche Personen erwarten dass man sie therapiert anstelle dass sie selber zur Therapie gehen! Ist einfacher, andere Leute auch runterzuziehen weil sie zu feige sind.

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  4. Nico
    Nico sagte:

    Hallo Leute,
    Ich bin 21 Jahre alt, und obwohl ich gefühle entwickelt habe und spüre dass ich sie Liebe habe ich dennoch das Bedürfniss sie unbewusst durch Den schmerz meiner Vergangenheit zu verletzen indem ich unüberlegte Worte ausspreche und wie wir alle wissen sind Worte Schlimmer als Ein schlag ins Gesicht, nur möchte ich dass bei ihr nicht sie ist so ein Wundervoller Mensch, mein Ruhe Pol meine kleine welt in der mir niemand etwas tun kann… Ich liege Abends gerne neben ihr und Schaue sie nur an und es gribbelt Im Bauch nur sage ich trotzdem worte die sie Verletzten an was kann das Liegen.
    Ich brauch in der hinsicht einen guten Rat von Jemand der vllt gleich fühlt und darin Erfahrener ist als ich.

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    • Gidon Wagner
      Gidon Wagner sagte:

      Hallo Nico,

      nach meiner Erfahrung bin ich zu anderen desto grausamer, je gemeiner ich auch zu mir selbst bin. Wenn ich kein Problem mit mir habe, gibt es für mich keinen Grund, etwas an meiner Umwelt auszulassen. Der Ruhepol ist nicht irgendwo da draußen, sondern in mir. Ich kann ihn spüren als wohliges Gefühl im Bauch. Wenn wir verliebt sind oder begeistert, kommt das zum Vorschein; weil wir nur verliebt sind, nur begeistert, und da keine Gedanken mehr davon ablenken. Vom Leben, vom Sein. Sein ist geil. Die meiste Zeit bin ich fast vollständig von meinem Denken eingenommen und grüble; ein Bild jagt das andere, und ich bekomme kaum noch mit, dass ich überhaupt da bin. Wenn ich verliebt bin, zählt nur der Moment, der Augenblick. Dann spüre ich das Leben wieder: Jetzt, Gegenwart, Sein, nenn es, wie Du willst. Stille in mein Denken zu bringen, ist für mich das eine Mittel, um mich und andere nicht mehr zu verletzen.

      Liebe Grüße,
      Gidon

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  5. Sina
    Sina sagte:

    Hallo zusammen,

    Ich benötige hier einen Rat. Der Text hat mir sehr geholfen, dennoch kriege ich es nicht wirklich in meinem Kopf rein. Mein Partner ist mir in unsere Beziehung 4 mal fremdgegangen mit Prostituierten. Ich sehe aber, das er mich liebt und auch zu all seinen Freunden sagt er das ab und zu bzw man sieht es ihm an. Wir haben unsere Probleme in der Beziehung wie fehlende Kommunikation und Missverständnisse. Durch mobbing und durch seine Eltern hat er auch vieles gelernt, aber nicht Fehler zu lösen oder zu vergeben.
    Dennoch hat er es mir angetan. Ist das wirklich möglich, dass man wegen solche Sachen im inneren das man die Person die man liebt wirklich sowas antut? oder bin ich eher auf dem Holzweg..
    viele Grüße

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