Wie kann ich authentisch sein? So höre ich auf, mich zu verstellen

Warum kann ich nicht ich selbst sein? Weil ich denke, dass ich mich verstellen muss. Ich habe gelernt, dass das besser ist. Besser, als abgelehnt, ausgelacht, angeschrien, schräg angesehen zu werden. Wie kann ich authentisch sein? Indem ich meine Angst davor ablege.

Wenn ich auf der Straße unterwegs bin, bin ich oft froh, wenn ich mit niemandem sprechen muss. Ich bin lieber für mich.

Wenn ich mich mit jemandem treffe, trage ich oft eine Maske. Ich spiele eine Rolle.

Meine größte Sorge, die mich fast ständig beschäftigt: Was denkt er oder sie über mich? Mag er mich? Finde sie mich attraktiv? Habe ich das Richtige gemacht? Sehe ich unsicher aus? Habe ich das Richtige gesagt? Geschrieben? Gewhatsappt?

Ich habe es geschafft, fast drei Jahrzehnte zu verleben, mich nicht interessant zu finden. Vielleicht mag ich deswegen unauthentische Menschen so wenig, weil ich mich selbst fast nie authentisch fühle.

Warum ich so selten authentisch bin

Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, nur auf die Reaktion und das Urteil anderer zu achten: Freunde. Feinde. Meine Eltern. Mädchen. Frauen. Das Finanzamt. Goofy, der freche braune Kerl am anderen Ende der Leine, der sich nicht hinsetzt, wenn ich es ihm sage.

Es scheint, als würde ich schrumpfen, wenn die Welt mich nicht mag, wenn sie mich nicht ernst nimmt, wenn sie mir böse Blicke zuwirft.

Wenn mich jemand grimmig ansieht, stimmt mit mir etwas nicht – denke ich. Ich komme nicht auf die Idee, dass er wohl einfach einen schlechten Moment, Tag, ein schlechtes Jahr, ein grimmiges Leben hat.

Wenn die Welt zu mir aufschaut, mich respektiert, dann fühle ich mich großartig. Nur blöd, dass in meinem Kopf ein fieser kleiner Kritiker sitzt, der von vornherein kaum ein gutes Haar an mir lässt.

Ich suche nach der Anerkennung anderer, die ich mir selbst ständig nehme

Mit diesem Kritiker im Nacken ist es kein Wunder, dass die meisten Menschen kritisch über mich zu denken scheinen oder mir schaden wollen. Ich kann es mir einfach nicht anders vorstellen in meinem selbstkritischen Wahn.

Also versuche ich zu jemandem zu werden, den sie lieben, den sie achten, den sie respektieren, ja, vielleicht sogar fürchten, wenn Respekt nicht reicht.

 Und das Schlimmste: Ich bin allein. Niemand kennt mich. Nicht mal ich selbst. Mama sagt, sie kennt mich. Aber sie kennt nur ihr Bild von mir.  

Wenn ich mit jemandem spreche oder unsere Blicke sich auf der Straße treffen, sehe ich ihn gar nicht wirklich. Ich sehe Misstrauen, Aggression, Anerkennung, Skepsis, all die Reaktionen, die ich mir einbilde. Ich sehe nicht den Mensch.

Ich sehe, was ich ihn den Mensch hineindenke.

Wer wäre ich ohne den Gedanken, dass ich mich verstellen muss?

Ich spüre ein wohliges Gefühl im Bauch. Ich habe das Gefühl, erst jetzt zu mir zu kommen. Und ich finde mich plötzlich interessant. Ich werde locker. Ich spüre ein vertrautes Gefühl, ich kenne es von früher. Einfach sein können.

Der Magen muss weniger verdauen, die Arme dürfen locker herunterhängen, mein Gang darf weicher werden.

Weil die kritische Stimme in meinem Kopf still ist, bin ich einfach ich selbst

Und das Schönste: Bis ich wieder anfange, darüber nachzudenken, sehe ich ein paar Menschen auf meinem Weg zum Supermarkt ins Gesicht. Hier, im schönsten hässlichen Viertel Münchens, sehe ich zum ersten Mal seit Jahren echte Menschen, so scheint es mir. Ich sehe nicht ihre scheinbaren Reaktionen auf mich, sondern ihre Gesichter. Viele verschiedene. Ich kann mich gar nicht satt sehen.

Sie schauen mich an und ich habe das Gefühl, sie sehen zum ersten Mal mich an, nicht meine „Ich gehe zum Supermarkt-Rolle“. Denn ich spiele keine Rolle. Ich bewege mich langsam Richtung Einkaufsparadies und spiele niemanden außer mich selbst.

Keine Rollen mehr spielen, mich selbst entdecken

Und an der Kasse spiele ich nicht die „Ich bin hier Kunde-Rolle“. Ich habe das Gefühl, unter Freunden zu sein (so sehr das geht im Kaufland (ja, hier geht es offensichtlich nur, nur ums Kaufen).

Ich stehe stabil in meinen Wanderschuhen und könnte mich einfach in die Süßwarenabteilung stellen, könnte da stehen und wäre zufrieden. Ich müsste kein einziges Glas Nutella öffnen. Ich könnte einfach hier stehen und es genießen, so wie in meinem Buch, nur dass ich dafür diesmal nicht verliebt sein muss.

Im Gegenteil zu sonst, wenn ich das Gefühl habe, alle sehen mich an und ich muss ihnen was beweisen. Dann ist mir oft schwindlig. Ich kippe fast aus den Schuhen, weil ich keinen Halt finde auf dieser unendlich großen Bühne, wo ich meine Rolle nicht all zu gut zu spielen scheine.

Authentisch SEIN ist das Gegenteil von TUN – kein Gedanke, kein Trick ist nötig dafür

Es ist ein völlig neues Erlebnis, einfach ich selbst zu sein, ohne das Gefühl, dafür etwas tun zu müssen. Und alles nur, weil ich einen Gedanken für eine Minute verloren habe: Dass ich mich verstellen muss, um…

Aufgabe: Was versperrt meinen Weg zum authentischen Selbst?
Ich mache mir eine Liste, was mich davon abhält, was ich befürchte, wenn ich ganz ich selbst bin. Was will ich beweisen? Was sollen andere von mir denken? Was du in dieser Liste aufschreibst, ist deine persönliche Anleitung, um authentisch zu sein: Gib dir die Sachen selbst, anstatt sie von anderen zu erwarten. Dann hindert dich niemand mehr daran, einfach so zu sein, wie du auf einer einsamen Insel wärst – nur hier bist du in Gesellschaft!

Beispiel: „Ich verstelle mich, weil ich will, dass mich die hübsche Kassiererin interessant, charmant, intelligent und witzig findet“

Ich mache eine zweite Liste. Was finde ich an mir selbst interessant? Wo finde ich mich intelligent? Und was an mir finde ich echt schlau und witzig? Für alles, was ich aufschreibe, finde ich eine konkrete Situation, an die ich mich klar erinnern kann. Ganz wichtig: Ich spüre meine Antworten! Und ich fange selbst an zu glauben, dass ich so bin, wie ich von anderen gesehen werden will.

In Zukunft muss ich vielleicht immer seltener eine Rolle spielen, denn ich weiß: Ich bin schon der, der ich sein will.

Keine Selbstverarsche! Dadurch, dass ich konkrete Beispiele finde, mache ich mir nichts vor. Kein positives Denken nötig. Wir erforschen uns selbst. Und wir verlieben uns neu in diesen Zustand, einfach hier zu sein. Das nennt man auch: authentisch sein.

Bild von spencer auf Pixabay

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