Ehrliche Worte und Entschuldigung eines politischen Kritikers
Dafür möchte ich mich bei euch entschuldigen, liebe Bürger und Bürgerinnen,
denn ich entschied über euren Kopf hinweg, was ihr braucht. Ja, sogar die Tatsache, ob ihr in eurer Rolle als Bürger gut aufgehoben seid, stellte ich stellvertretend für euch infrage. Ihr müsst Revolution machen wollen, sagte ich euch unter vier Augen mit Gleichgesinnten nach. Wie viel lasst ihr euch noch gefallen an persönlichen Entbehrungen und Erniedrigungen, schimpfte ich über euch.
Ich wählte mich selbst ins Amt, um mich für euch einzusetzen. Manipuliert von der EGO-Lobby ließ ich mich leiten.
Ich war ein rücksichtsloser Machtmensch. Dachte ich über Politik nach, hatte ich in Wirklichkeit nie das Wohl des Einzelnen im Sinn. Ich dachte an das Wohl einer abstrakten Allgemeinheit, die es nicht gibt. Und vor allem hatte ich mein eigenes Wohl im Sinn.
Ich unterteilte euch in Arm und Reich und urteilte über euch. Ich dachte, dass ihr nicht wisst, was für euch gut ist. Ich dachte, dass ich euch das sagen muss.
In zahllosen Diskussionen ließ ich keinen Zweifel daran, dass ich euch für unfähig halte. Unfähig, wichtige Fragen des Lebens für euch selbst zu beantworten. Unfähig, über wesentliche Dinge des Zusammenlebens zu entscheiden.
Ich behauptete, dass ihr mir wichtig seid – aber wart ihr nie, oder nur kurz. Ich ließ euch im Stich (habt ihr mich jemals gebraucht?). Ich dachte weniger über euch nach und wenn, dann als Opfer. Ich beschäftigte mich mit dem bösen System, mit meinen politischen Widersachern. Ich interessierte mich immer weniger dafür, wie ich euch dienen kann.
Ich stellte meinen politischen Erfolg und meinen Geldbeutel über alles. Ich war bereit, andere links liegenzulassen, zu hintergehen, ihre Bedürfnisse zu ignorieren. Dafür entschuldige ich mich.Ich bitte um eure Vergebung, liebe Bürgerinnen und Bürger, dass ich mich über euch gestellt habe. Dass ich aufgehört habe darüber nachzudenken, was ich Hilfreiches beitragen kann.
In meinem Wahn, das Richtige zu schützen und das Falsche zu kritisieren, hörte ich auf, Andersdenkende verstehen zu wollen. Ich unterstellte ihnen ohne zu zögern Übles und erklärte sie zu Unmenschen. Ich war überzeugt, ich tue das Richtige.
Vielleicht war es für den Moment richtig. Aber ein Mensch wäre kein Mensch, wenn er nicht über sich hinauswachsen könnte.
Wie werde ich die derzeitige Situation politisch durchleben? Diesen Zustand, in dem sich diese Gesellschaft, diese Gemeinschaft voller Gegensätzlichkeiten und Unterschiede gerade befindet?
Das kann ich heute nicht sagen. Ich weiß aber, dass ich mein Bestes tun werde, um jedem in diesem Spiel, allen in diesem Zusammenspiel mit mehr Verständnis zu begegnen:
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