Negative Gedanken loswerden: Antworten aus über 10 Jahren Kampf gegen Windmühlen

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Nein, das darf ich nicht denken – gnnnnh…. zu spät. Der Gedanke ist da, die Bilder schießen mir in den Kopf – Bilder, was gleich oder in Zukunft passieren wird. Und das dazu passende Gefühl kriecht an mir hoch, macht meine Brust eng, schnürt sich um meinen Hals, lässt meine Beine unruhig werden, meine Hände schwitzen. Ich weiß, dass es nur ein Gedanke ist, mir wird nichts Schlimmes passieren.

Aber in mir tobt alles. Ich glaube nicht meine beruhigenden Worte, ich glaube meinen Gedanken sagen: Er hat dir Gift ins Essen. Sie wird sich nicht mehr melden. Du wirst pleite gehen. Das Finanzamt wird dir den Stuhl unter dem Arsch wegpfänden. Du hast Krebs. Du bekommst gleich eine Panikattacke.

NEIN, NEIN, NEIN, das darf ich nicht denken, schreie ich mich innerlich selbst an. Aber ich denke es schon. Noch bedeutsamer: Ich GLAUBE es schon. Diese Gedanken.

Ich glaube, ich muss die Kontrolle haben, sicher wissen, was passieren wird. Sicher wissen, was mit mir los ist. Sicher sein, damit mir nichts Schlimmes passiert. Viele Jahre in und nach meiner Jugend plagten mich Panikattacken.

Dann begann ich, nach Hilfe zu suchen, machte eine Therapie, aber half mir auch selbst. Ich las Bücher und sah mir Vorträge von spirituellen Lehrern an, die darüber redeten, dass meine Gedanken für alles verantwortlich waren. Und seitdem war klar:

„Meine Gedanken, die sind an allem Schuld. Ich muss sie loswerden!“

Das gab mir einerseits etwas Zuversicht, dass ich meine Probleme, meine schweren Emotionen seit meiner Kindheit endlich lösen könnte. Andererseits verschaffte mir dieses Wissen ein weiteres Problem: Meine verdammten Gedanken.

Man, rund 60 000 von den Dingern gehen mir pro Tag durch den Kopf, und ich will sie stoppen. Ich will erleuchtet werden, mich über meine Gedanken erheben, so ruhig und klar wie Meister Eckhart Tolle werden.

Dieser kleine drollige Kerl, der auf der Bühne vor hunderten Menschen kichernd über die Absurdität referiert, was wir mit uns selbst anstellen, indem wir uns mit unseren Gedanken gleichsetzen.

Ich bin nicht meine Gedanken – und die meisten negative Gedanken sind so gehaltvoll wie Rülpse – Hirnrülpse!

Also beobachtete ich meine Gedanken, ich kämpfte gegen sie an, probierte, in jeder Sekunde meines Lebens achtsam zu sein. Meine Gedanken mitzukriegen, anstatt sie einfach auszuagieren, ihnen blind zu glauben. Leider gelang mir das meist erst ab Feierabend, aber ich gelobte jeden Abend, morgen alles besser zu machen.

Es war wieder wie in der Schule. Und morgen ging der Kampf aufs Neue los, kaum war ich im Büro angekommen, riss mich der Strom meiner Gehirnrülpse wieder mit und ich war völlig hypnotisiert von dem, was mir da durch den Kopf ging.

Wie werde ich meine negativen Gedanken los? Nicht so, wie ich denke!

Der Frust darüber, dass ich es nicht schaffte, Herr meiner Gedanken zu werden, trieb mich nach knapp einem Jahrzehnt in eine Depression. Wann würde ich endlich ankommen, nicht mehr unter dem leiden, was mir durch den Kopf ging? Besser sein! Perfekt werden!

Über tausend und mehr Dinge kann ich mir Sorge machen, und pro Minute gehen mir 60 000 Gedanken durch den Kopf, nicht pro Tag.

Ich fand meinen Weg. Und er hat nichts damit zu tun, Gedanken zu kontrollieren. Es geht darum, vor den Gedanken nicht mehr davon zu laufen und sie stattdessen ernst zu nehmen. Zu erforschen. Sie zu hinterfragen: Ob sie wahr sind.

Denn unter einem Gedanken, den wir selbst nicht glauben, wie „Ich bin ein rosa Zebra und finde kein Gras“, unter so einem Gedanken würden wir nie leiden. WÜRDEN wir ihn aber glauben, dann hätten wir ein Problem. Dann würden wir vielleicht durch den Garten rennen und ihn abgrasen.

Aus dem Denken keinen Feind machen

Der spirituelle Lehrer Barry Long unterschied zwischen „Thinking“ und „Looking“ – Denken und Sehen. Denken, so verstehe ich Barry Long, war für ihn das Grübeln, das fast jeder hier kennen dürfte: Ich habe ein vermeintliches Problem und kann einfach nicht aufhören, an die Konsequenzen und schrecklichen Folgen zu denken. Ich liege nachts wach – denken, denken, denken. Oder gedankenverloren auf der Couch, völlig ungestört, aber in meinem Kopf pocht alle paar Millisekunden ein neuer ungebetener Gast an die Tür. Ich grüble mich vom Hundertsten ins Tausendste.

Etwas ganz anderes als Grübeln ist „Sehen“. Ich sehe ein Problem und schaue, ob ich eine Lösung finde. Wenn ich keine Lösung sehe, sammle ich mehr Informationen, warte, rufe jemanden an. Aber ich verfange mich nicht in einer Dauerschleife aus Sorgen, Schreckensbildern, Simulationen und Rückblicken, die mein Verstand veranstaltet. Das Grübeln soll mich vermutlich schützen oder mental auf ein Problem vorbereiten.

Ich trainiere im Kopf den Ernstfall. Aber dieses ununterbrochene Nachdenken wird selbst zum Ernstfall; zum Leiden. Sehen oder Grübeln sind zwei ziemlich unterschiedliche Sachen.

Das unaufhörliche Denken anhalten – ein spannendes Experiment

Das folgende Video (es ist ein kurzes Hörbuch) habe ich wahrscheinlich mehrere hundert Male gehört. Oft saß ich im Bus auf dem Weg zu meiner damaligen Freundin und hörte es auf der Fahrt. Versuchte, mein Bewusstsein auf die nächste Stufe zu heben. Naja. Das ging ganz gut, solange ich ungestört im Bus saß.

Die Aufnahme war Barry Longs Versuch, den Verstand seines Publikums langsam auf das Sehen zu trainieren und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie es ist, wenn das Denken stoppt.

Ich habe das Video irgendwann nicht mehr angesehen, weil ich festgestellt habe, dass ich aus dem Denken einen Feind gemacht hatte. Ein neues Problem, das ich unbedingt bekämpfen und lösen musste. Aber darum geht es bei diesem Versuch nicht. Bei diesem Lebensprojekt, diesem lebenswichtigen Projekt. Das negative Denken, das überflüssige, deprimierende Grübeln langsam immer unbedeutender zu machen. Zu erkennen, dass ich nicht der Denker bin. Zu fühlen und zu erfahren, dass das Meiste vom immer sich wiederholenden Denken überflüssig ist. Um schließlich im Moment zu leben, statt im Strom der Gedanken.

Hier ist das Hörbuch:

Fragen und Antworten rund um unser Leben mit negativen Gedanken (mit regelmäßigen Updates)

Das ist also meine erste Erkenntnis aus über 10 Jahren Kampf gegen Gedanken:

Wie kann ich negative Gedanken loswerden?

Gar nicht. Aber die negativen Gedanken haben keine Wirkung mehr, sie fallen nicht mehr auf, sie scheinen zu veschwinden, wenn ich sie nicht mehr glaube.

Kann ich negative Gedanken in positive umwandeln?

Aus meiner Erfahrung kann ich keine Gedanken umwandeln und es ist auch gar nicht nötig. Wenn du deine negativen Gedanken nicht glaubst, dann brauchst du keine positiven.

Wenn Gedanken wegfallen wie Niemand mag mich oder Ich bin allein, dann geht es mir gut. Ich leide nicht mehr unter den Gedanken, und übrig bleibt Frieden, Ruhe, Gelassenheit, Offenheit.

Ich schreibe übrigens negativ kursiv, weil auch das Wort negativ eine Etikettierung, ein Gedanke ÜBER Gedanken ist. Der Hass auf meine Gedanken sorgt dafür, dass ich mir noch mehr Gedanken mache.

Welche Ursache haben negative Gedanken?

Das weiß ich nicht. Viele mögen meinen, dass sie aus Erfahrungen aus der Kindheit kommen. Meine Erfahrung ist aber, dass meine Gedanken in meiner Kindheit diese Situationen überhaupt erst so schlimm für mich gemacht haben.

Zum Beispiel:

Ich war mit meinem Vater einkaufen. Wir standen mitten im Supermarkt, ich drehte mich kurz um, sah wieder zurück, und mein Vater war veschwunden. Ich dachte, er ist weg, er hat mich verlassen, weil er mich nicht mag, weil ich meinen Eltern zur Last falle und viele, viele andere Hirnrülpse, und ich geriet in Panik.

Ohne diese Gedanken, die ich schon als Kind hatte, wäre ich ruhiger geblieben. Ich hätte mich als Zwerg an diesem großen Einkaufswagen festgehalten und hätte überhaupt keinen Grund gehabt, meinem Papa zu misstrauen.

Ich hätte Vertrauen gehabt, dass er zurückkommt, anstatt meine vielleicht erste Panikattacke zu haben.

Wie gehe ich mit negativen Gedanken in einer Beziehung um?

Im Prinzip drehen sich alle Gedanken um Beziehungen – die Beziehungen zu anderen Menschen wie meinen Eltern, Freunden, Fremden. Die Beziehungen zu Dingen. Und um die Beziehung zu mir selbst (und zu meinen Gedanken und Gefühlen, zu meinem Körper, meinem Sozialleben, und so weiter).

Wenn ich mich oder andere verurteile, streite ich mich gedanklich mit der Realität und leide. Das heißt nicht, dass ich in der Welt nichts mehr ändern kann oder soll.

Aber indem ich gedanklich Widerstand leiste gegen das, was schon ist, leide ich unnötig (so nach dem Motto: es sollte nicht regnen, als wäre ich der globale Wetterbeauftragte).

Und wenn ich glaube, es sollte nicht regnen, dann bin ich emotional so blockiert, dass mir erst recht keine Lösung einfällt, wie ich meine Lage verbessern könnte. Ohne meine Wut würde ich vielleicht den Regenschirm sehen, den da jemand im Gras liegengelassen hat.

Negative Gedanken in der Beziehung sind also da. Wenn ich sie glaube, werde ich in den Krieg ziehen. Wenn ich sie anfange zu hinterfragen, zum Beispiel mit der Selbsthilfe-Technik The Work, dann können sich meine Beziehungen verbessern.

Es kann aber auch sein, dass die Beziehung zu einem Menschen vorbeigeht, du jedoch nicht mehr so darunter leidest.

Ich aktualisiere und erweitere diesen Artikel regelmäßig, damit hier eine möglichst vollständige Sammlung mit Fragen und Antworten rund um negative Gedanken entsteht. Mit Hilfen, wie wir damit umgehen können.

Titelbild: Dergeorge auf Pixabay

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