Ich pfeif‘ auf Ratgeber – und du brauchst sie auch nicht

Ich habe einen langen Weg hinter mir, voller Selbsterniedrigung, Unzufriedenheit und rastloser Suche. Immerhin hatte ich mich auf den Weg gemacht, so viel sei zu meiner Verteidigung gesagt. Aber was dann folgte, hätte ich mir sparen können. Die endlose Suche nach Glück, in endlosen Ratgebern, Büchern, Blogs, Videos, bei Gurus, Experten und Psychologen. Irgendwann verstand ich es: Ich finde da draußen keine Antworten auf meine Probleme. Ich finde sie nur hier, hier drinnen bei mir. Ich muss nur eine Frage stellen.

Stop – du bist richtig hier. Aber nach dem Artikel will ich dich erst mal nicht mehr sehen!

Ich will stattdessen, dass du mir so bald wie möglich einen Kommentar schreibst, und von deinem eigenen Weg berichtest. Was hat dir bei deinem Problem geholfen? Was hast du über dich gelernt? Über andere Menschen? Über die Liebe? Über das, was dich wirklich zufrieden macht? Was du jetzt tun willst? Gib mir die Tipps. Ich bin der Zuhörer, ich brauche dringend deinen Rat. Vielleicht ist etwas Nützliches für mich dabei? Ich will, dass du es mir erzählst.

Was heißt das, wenn ich sage, dass Du keine Ratgeber brauchst?

Du bist hier gelandet, also hast du wahrscheinlich bei Google oder Facebook eine Frage gestellt, bist einer inneren Frage gefolgt. Was soll ich tun? Was macht mich glücklich? Oder vielleicht bist du noch mehr wie ich und willst dich einfach ablenken. Ich habe mich tage- und wochenlang abgelenkt, mit Vorträgen, Hörspielen, Ratgebern. Bier und Zigaretten. Aus lauter Angst vor meinen Gefühlen.

Aber das führt mich in eine Falle. Einerseits ist Ablenkung genau das Gegenteil einer Lösung. Sie schiebt echten Frieden und Glück nur auf. Andererseits werde ich zum Nachmacher, zu einem Gläubigen, der auf die Ratschläge anderer hört und versucht, es richtig zu machen.

Du kannst es nicht richtig machen – und auch nicht falsch

Die Ratgeber-Industrie – dazu zählt auch dieser Blog hier – wird niemals müde, neue Tipps zu liefern. Und so folge ich immer neuen Tipps, probiere immer neue Dinge aus. Jeder formuliert die Tipps ein bisschen anders und es ist kein Wunder, dass ich immer verwirrter werde. Was soll ich denn nun tun?

  • Wie schaffe ich es, endlich glücklich in einer Beziehung zu leben?
  • Wie überwinde ich meine Ängste, Zwänge, Sorgen und meine Wut?
  • Oder weniger spirituell gefragt: Wie werde ich zu einem kleinen Superman, der keine Angst vor Spinnen mehr hat und vor lauter Erfolg jeden Monat ein neues Konto aufmachen muss – weil das alte voll ist?

„Tu diese fünf Dinge, und du wirst reicht!“
„Wie du deinen inneren Guru findest und so schlau wie Buddha wirst!“
„Die 11 wichtigsten Tipps für mehr innere Ruhe“

Ich lese, lese und lese und ich verliere immer mehr das Gefühl dafür und das Vertrauen, selbst zu wissen, was richtig ist. Wie kommen diese ganzen Internet-Gurus auf ihre schlauen Tipps? Denen muss es ja blendend gehen? Ich bin ein kleiner Wurm im Vergleich zu denen!

Aber die sind nicht die Bösen – ich brauche einen Guru, bis ich mir selbst vertraue

Und so dreht sich das Karussell weiter – der Ratsuchende fühlt sich scheiße, die Ratgebenden haben treues Publikum. Nichts dagegen! Lesen und sich Fortbilden sind doch fein.

Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich immer nur beim Lesen, Zuhören oder Video-Schauen weiterkomme und den Rest meines Lebens nach neuen Tipps für ein besseres Leben suche, dann bin ich süchtig, nicht spirituell oder gar glücklich.

Deswegen sage ich es dir an dieser Stelle noch mal, so deutlich wie möglich:

Du findest hier nichts außer dir selbst

Ich finde das Zitat von Galileo Galilei richtig:

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.

Auf meiner ganzen Suche in den letzten zehn Jahren konnte mir niemand etwas beibringen. Alle Sichtweisen von anderen schlauen Menschen habe ich für einige Tage gefeiert und dann wieder vergessen. Eins habe ich dann aber doch gelernt: Wieder mehr auf mein Gefühl und meine Intuition zu hören.

Kinder können das. Erwachsene müssen es wieder lernen.

Was für dich richtig ist, kann für jemand anders genau das Falsche sein – und andersrum. Wir sind alle Glückssucher. Da strebt der Mensch ganz von selbst hin. Aber ich kann dir nicht sagen, was dich glücklich macht. Aber du selbst kannst es. Ganz einfach, indem du wieder anfängst, dir selbst zuzuhören.

Ich könnte dir jetzt empfehlen:

  • Nimm dir regelmäßig Zeit zum Meditieren
  • Mach The Work – die eine Meditationstechnik, die mich von Ängsten befreit und mir mehr innere Ruhe gibt
  • Nimm dir mehr Auszeiten, umgib dich mit Menschen, die dich weiterbringen
  • Kauf dir ein Meerschweinchen, bau ein Haus, mach einen Kopfstand und dreh dich dabei!

Aber ich tue das nicht. Ich empfehle dir nur zwei Sachen:

Scheiß auf das, was ich dir sage!

Hat dir jemals wirklich geholfen, was jemand anders gesagt hat? Oder hat der oder diejenige nur etwas gesagt, dass du sowieso schon wusstest? Vergiss, was ich dir sage. Du wirst es sowieso vergessen. Leg die Illusion ab, dass du mich oder irgendwen brauchst, um irgendwas zu erreichen.

Und scheiß auch darauf, was du gerade selbst sagst und denkst.

Denk mal zurück: Was hast du vor einem Jahr übers Leben geglaubt? Vor zwei Jahren? Ist das heute noch richtig? Wäre es nicht toll gewesen, damals schon das Wissen von heute zu haben? Das ist deswegen so, weil unsere Gedanken sich nur wahr anfühlen — für den Moment, bis wir es ausprobieren. Bis wir losrennen. Bis wir LEBEN! Das Leben widerlegt ständig die ganzen Ideen in unserem kleinen Köpfen! Was wir brauchen. Was wir von anderen brauchen. Was der Sinn des Lebens ist. Und so weiter.

Was du vor zwei Jahren gedacht hast, ist abgelaufen. Hat sich in der Realität nicht bestätigt! Ist ganz anders gelaufen. Oder? Bei mir ist es immer so! Das ist der Lebensweg. Und das Glück suchen wir nur, weil wir uns von uns selbst abgewandt haben.

Wir suchen das Glück, weil wir es suchen.

So einfach ist der Scheiß. Scheiß – das Wort des Tages. Das Leben ist ein geiler Scheiß.

4 Kommentare
  1. Matze
    Matze sagte:

    Bin heute auf deine Seite gestoßen. Auf der Suche nach Antworten. Auf der Suche nach jemandem der mir sagt wie ich das Glück finde und das alles mit Bier und kippe.
    Wie recht du hast. Ich lenke mich schon lange ab, hab schon was weiß ich wieviel Euro für irgendein Guru oder Seminar ausgeben und sitze immer noch hier, trinke und such bei google nach dem weg.
    Scheiße man, du hast so recht. Aufstehen, mit sich selbst beschäftigen und klar kommen und es kann besser werden. Das habe ich schon so oft gehört und trotzdem mach ich es nicht. Es ist so einfach weiter Bier zu trinken bei google zu suchen und sich das Leben selbst schlecht zu denken.
    Danke für deine Beiträge, vielleicht war es jetzt gerade der Tritt in den Arsch den ich so sehr brauche.
    Ich teile dir mit was ich erreicht habe oder frage dich um Rat.
    Mach weiter, mir hat deine Seite heute die Augen geöffnet.
    Danke für deine Arbeit.

    Antworten
    • Gidon Wagner
      Gidon Wagner sagte:

      Hallo Matze, das freut mich sehr zu hören. Und noch mehr freue ich mich bald von dir zu lesen, dass es dir gut geht.
      Vielleicht hilft es dir, dich zu fragen: Was suche ich eigentlich? Was (denke ich) stimmt mit mir nicht, dass ich Gurus und Seminare brauche? Was heißt es für mich, dass ich hier site und Bier trinke? Prost, übrigens!

      Ich bin jahrelang abends nach dem Trinken heimgekommen und habe mir geschworen, ein besserer Mensch zu werden.
      Das Problem war aber nicht der Mensch, der ich war. Sondern meine feste Überzeugung, dass ich NICHT OKAY war und mich verbessern muss. Ein besserer Mensch werden muss. „Es“ auf die Reihe bekommen.

      Und wozu? Was werde ich davon haben, wenn ich „es“ auf die Reihe bekommen habe? Klar, es ist nicht falsch daran, nicht zu trinken, nicht zu rauchen. Aber gehen wir mal davon aus, dass mit dir schon jetzt alles stimmt. Dass mit dir alles okay ist, dass du ein großartiger Mensch bist, auch mit Bier und Kippe in der Hand – wo ist das Problem? Was wäre, wenn wir uns nicht verändern müssen, sondern wenn die Veränderung ganz von selbst kommst, wenn wir unser Bild von uns selbe verändern?

      So war und ist es bei mir.

      Und dazu hat gehört, zu merken, dass ich keinen Guru, Ratgeber oder sonst was brauche, außer das, was in mir steckt.

      Frage gerne, ich antworte.. wenn auch mit dem Gegenteil von Ratschlägen, sondern vielleicht nur mit den richtigen Fragen, die du dir selbst beantworten kannst 🙂

      Liebe Grüße,
      Gidon

      Antworten
  2. Niklas Amadé Endler
    Niklas Amadé Endler sagte:

    Ich bin nur glücklich, wenn mir jemand etwas beibringt. Blöd nur, dass ich keinen Lebenslehrer, keine Lebensklasse und kein Lebensklassenzimmer habe, vor allem keine Lebensschule besuche. Ich bin politisch so weit links, dass ich Politik schon wieder langweilig finde, dort finde ich mein Lebensglück nicht, ich finde mein Glück nur in der Lebensschule

    Antworten

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