Wie kann ich mich ändern? So verwandelst du dein Leben, ohne dich unglücklich zu machen

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Hier bist du. Willst dich ändern. Vermutlich geht es dir, wie es mir oft ging: Du denkst, mit dir stimmt etwas nicht. Dann hast du die Wahl zwischen Pest und Cholera: Du kannst dich dafür hassen, wie du bist. Du kannst so tun, als wärst du anders. Oder du kannst so tun, als wärst du zufrieden mit dir. Es gibt aber noch eine andere Wahl: Du kannst dich neu entdecken. Du kannst dich in dich verlieben und dabei echte Superkräfte entwickeln. Dann klingt es für dich vielleicht irgendwann wie ein schlechter Scherz, wenn du dich daran erinnerst, dass du diesen wundervollen Menschen ändern wolltest.

„Ich will mich ändern, schaffe es aber nicht“

Vielleicht hast du ja schon probiert, ein neuer Mensch zu werden. Ein besseres Ich. Und hast dabei gemerkt, wie auch ich: es tut weh, mich zu verstellen, ein neuer werden zu wollen, und es nicht zu schaffen. Es frustriert. Vielleicht hast Du, wie ich, gemerkt:

  • Es tut weh, jemand anders sein zu wollen und nicht aus der eigenen Haut zu können. Wohin soll man auch?
  • Es ist hoffnungslos, so zu tun, als wäre ich anders. Am Ende merken es die anderen, und auch du selbst. Irgendetwas stimmt nicht. „Ich habe einen anderen Mensch kennengelernt, als du jetzt bist“, hat mal eine Freundin zu mir am Ende unserer Beziehung gesagt. Sie hatte recht. Ich war anders. Und als wir zusammen waren und ich mich immer weniger verstellt habe, kam ihr das wie ein Betrug vor. Andersrum war es genauso. Mit wem bin ich da eigentlich zusammen, fragte ich mich.

Warum die klassischen Versuche zur Veränderung nicht klappen

Du kannst dich anders anziehen, aber in dieser Kleidung steckt noch immer derselbe Mensch. Spätestens, wenn du dich abends ausziehst und in deinen Benjamin-Blümchen-Pyjama springst, merkst du das. Wer warst du tagsüber? Du kannst dich mit anderen Menschen umgeben, aber was ändert das an dir? Du kannst etwas lernen, versuchen, etwas anderes zu denken, aber du wirst immer das glauben, wovon du tief in dir überzeugt bist. Du kannst anders reden, anders, lauter oder leiser lachen, aber es wird sich nicht wie deine Stimme anhören, nicht wie dein Lachen. Du kannst dich verstellen. Aber du verstellst dir dabei immer nur den Weg zu dir selbst, verlierst den Kontakt zu dir selbst. Wer will schon ein Leben lang eine Rolle spielen?

Rituale und Angewohnheiten ändern wollen – von unsinnig bis unmöglich

Was glauben wir nicht alles über uns:

Ich sollte nicht so viel Süßigkeiten essen

Ich sollte nicht so faul sein

Ich sollte mich nicht so viel ärgern über…

Ich muss mich ändern für meine Beziehung

Und es funktioniert einfach nicht.

Da steht wieder das Nutella-Glas vor mir und daneben liegt ein Löffel. Und als der Mann mir die Vorfahrt nimmt, pocht es in meiner Brust und in meinem Kopf, und all die Ruhe aus der vorherigen Meditation ist verflogen. Scheiße, ich wollte mich doch nicht mehr ärgern, sondern erleuchtet sein!

Selbstoptimierung: Das perfekte Programm zur Selbstfolter

Als Jugendlicher bin ich oft nachts nach dem Feiern (es war mehr ein Runterkippen als ein Feiern) nachhause gelaufen, hatte keine Hausaufgaben gemacht, nicht gelernt und wusste, dass ich morgen (in ein paar Stunden) verschlafen und mich bestenfalls rechtzeitig krankschreiben lassen würde. Und während ich nachhause schlurfte, war ich überzeugt: Ab jetzt ändere ich alles. Ab jetzt werde ich jeden Tag lernen, nur noch gute Noten schreiben, alles richtig machen!

Ich schrieb mir Checklisten, wie ich mich in Zukunft verhalten würde, was ich denken und tun sollte, um perfekt zu sein.

Und am nächsten Tag, spätestens in der nächsten Woche brach ich meine Vorsätze, meine Regeln, der wahre Gidon brach durch, marschierte einfach über seine eigenen heiligen Vorhaben, ging mit Freunden in die Kneipe und machte Musik statt zu lernen. Schrieb Fünfer. Machte Mama nicht stolz. Und war trotzdem nicht zufrieden mit sich selbst, denn er war nach wie vor nicht so, wie er doch sein sollte!

Was ist eigentlich dieses „Perfekt“?

Wer sagt eigentlich, wie ich sein sollte?

Der Ausweg aus der Unzufriedenheit mit mir selbst

Ich kann echt wenig wirklich verändern in und an meinem Leben. Klar, ich kann reich werden und 10 Kinder kriegen, kann hinterher denken, dass mein Leben jetzt besser ist. Aber wird es das wirklich sein? Werde ich tief in mir zufrieden mit meinem Leben sein? Was ich – zum Glück! – verändern kann, ist mein Denken über die Dinge. Über die Menschen. Über mich. Nicht verändern im Sinne von kontrollieren, sondern im Sinne von überdenken. Und das ändert alles.

Ursachen lösen statt dich in Symptomen verstricken

Wir essen aus einem guten Grund ein Glas Nutella am Abend oder Rauchen, sind unfreundlich oder mies drauf. Wir sind so und tun das, und das macht diese Dinge und Eigenschaft weder gut noch schlecht, es ist einfach so – jetzt. Das einfach ändern zu wollen, ist, wie immer wieder ein Lagerfeuer anzuzünden und sich dann darüber zu beschweren, dass es brennt. Wir zündeln mit unseren Urteilen:

Wir glauben, das Leben ist Scheiße. Die Menschen sind schlecht, die Welt ist ungerecht, Mama mochte meine Geschwister immer lieber als mich. Wir schlucken solche bittere Pillen, und dann ist es kein Wunder, dass wir uns abends das Leben mit Schokolade versüßen wollen, den bitteren Geschmack mit Wein herunterspülen.

Du willst dein Leben komplett umkrempeln und es sofort ändern? Dann überdenke dein Leben. Nicht im Sinne von Grübeln: Oh man, alles ist Mist in meinem Leben. Sondern überdenke den Mist: Ist es wirklich so schlimm? Was habe ich davon, mich so zu verhalten? Was will ich eigentlich bezwecken mit meinem Tick? Mit meinen schlechten Angewohnheiten? Warum muss ich drei mal nachsehen, ob die Tür wirklich abgeschlossen ist? Was erhoffe ich mir davon? Warum muss ich perfekt sein? Warum will ich andere Menschen nicht enttäuschen? Hätte ich Mama wirklich öfter glücklich machen sollen? Oder mich?

Wenn du das verstanden hast, kannst du dir bewusst machen, warum du dich ändern willst, also: was du davon hättest. Was, glaubst du, hätte das für Vorteile? Diese Gedanken halten dich fest. Und diese Gedanken kannst du auf Wahrheit überprüfen. Das ist wahres SelbstBEWUSSTsein.

Wie soll mein Leben aussehen? Hör auf, an deinem Leben herum zu manifestieren

In vielen spirituellen Ratgebern liest man davon, dass man sich sein eigenes Leben vorstellen und manifestieren soll, sogar in meinem Buch Dich finden, dich lieben, dir Vertrauen ist davon die Rede. Das ist gar nicht schlecht, sich vorzustellen, wie etwas werden soll. Das macht es wahrscheinlicher. Wenn ich mir den Erfolg vorstelle, laufe ich wahrscheinlicher in seine Richtung und habe mehr Energie, als wenn ich nur ans Verlieren denke. Aber ich möchte dafür plädieren, Raum zu lassen, lass deinem Leben Raum, sich zu entfalten:

Kannst du sicher wissen, dass dein Leben so oder anders besser wäre? Wenn du zu viel an deinem Leben herum manifestierst, schaffst du vielleicht neue Dinge, aber immer nur aus deinem jetzigen Bewusstsein heraus. Wenn ich das vor ein paar Jahren getan hätte, hätte ich zum Beispiel wahrscheinlich nicht eines meiner liebsten Hobbys entdeckt, ohne das ich mich heute gar nicht vorstellen könnte: das Handwerken.

Früher dachte ich, ich brauche einen Job, der mir genug Geld bringt, damit ich dann genug Freizeit hab, um zu meditieren. Da habe ich nicht im Traum dran gedacht, dass ich mir einmal ein Bett bauen könnte, in dem ich jetzt gerade liege. Wie sehr diese Arbeit mit den Händen mein Leben bereichert! Und dieses Hobby kam einfach zu mir – über den Gedanken, dass ich doch ein Vogelhaus bauen könnte. Plötzlich habe ich Sachen gebaut und dabei eine neue Art der Meditation entdeckt. Ich breche aus aus dem Denken. Muss mich konzentrieren auf das, was ich gerade tue.

Meine Aufmerksamkeit an der Kreissäge ist geschärft, wie in einer Achtsamkeitsmeditation. Denn sonst könnte ich mir einen Finger absägen. Da ist kein Platz für Grübeln und Sorgen. Und so laut, wie die Maschine ist, würde ich meine Sorgen auch gar nicht hören. Alles, was in der Werkstatt in diesem Moment zählt, ist das Brett und das Sägeblatt. Das Holz gerade zu führen und einen sauberen Schnitt zu machen. Wie sehr dieses Hobby mein Leben bereichert!

Nur wer anders sieht, kann anders handeln

Ja, lass die fett belegte Wurstsemmel in der Mittagspause weg und stell dir vor, wie ein Abend ohne Sodbrennen aussieht. Wunderbar. Aber kannst du wissen, was heute Abend sonst noch passieren wird; wen du im Bus kennen lernen wirst? Wen du spontan anrufen wirst? Oder welche Idee dir in den Kopf schießt, während du vor deinem Glas Nutella sitzt und probierst, den Löffel nicht in die Hand zu nehmen? Kontrolle ist eine Illusion. Dich ändern zu wollen, ist ein Kampf gegen dich selbst. Du verhinderst damit, ganz du selbst zu sein. Und das ist das Schönste, das es auf dieser Welt gibt. 

Dich ändern kann ganz schön schwer sein – weil es unmöglich ist. Aber wenn du tief in dich reinschaust, siehst du vielleicht wie ich, dass viele Dinge genau so sein sollen, wie sie sind. Und du erkennst, warum du so oder so bist; du entdeckst vielleicht Seiten an dir, die du noch nicht kanntest und die du mit weg-optimiert hättest, wenn du dich der Selbstoptimierung hingegeben hättest.

Wenn sich dein Denken über die Dinge ändert, verändern sich oft die Dinge ganz von selbst. Und dabei passieren Sachen, die du dir nicht hättest vorstellen können. Und das ist doch das Schöne am Leben, oder?

Foto 1: PDPics

Foto 2: Engin_Akyurt

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2 Kommentare
  1. Hasan Kurt
    Hasan Kurt sagte:

    Der Text regt wirklich zum Nachdenken an.
    Ich habe meine erste und große Liebe nach 11 Jahren Ehe verloren.Ich habe mich mit der Zeit verändern, ich war nicht mehr der Mann der ich einmal mal war.Mein selbstbild hat sich gehalten obwohl ich mich nicht wiedererkannt habe. Ich will ein besserer Mensch werden, ein Mensch den ich gerne im Spiegel sehe.
    Es wird ein Kampf und ein komplett neuer Mensch werde ich wahrscheinlich auch nicht mehr aber wenigstens ein Mann, der mit sich selber zufrieden ist.

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    • Gidon Wagner
      Gidon Wagner sagte:

      Ja, toll. Ich würde alles aufschreiben, womit ich unzufrieden bin (an mir, an anderen). Dann würde ich überprüfen, ob das wirklich wahr ist. Sollte ich wirklich anders sein? Ganz sicher? Hmmmm. Vielleicht denke ich nur, dass ich anders sein sollte. Und wenn ich genau hinsehe, fallen mir Dinge auf, die ich an mir liebe, die ich gar nicht mehr gesehen habe. Weil ich so auf die Anerkennung anderer aus war. Der anderen Person, des Partners, der Gesellschaft… Liebe Grüße und einen Kampf-freien Weg zu dir selbst, wünsche ich!

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