„Ich bin nicht gut genug“ – warum ich nie zufrieden mit mir war und wie ich es änderte

Alles haben, aber doch nie genug: das könnte als Überschrift über meiner Kindheit stehen. Ich sehe mich noch heute in meinem Zimmer, die Probleme meiner Eltern wälzen. Hätten sie doch nur mehr Geld, dann wäre wieder Platz für mich. Aber Geld ist ihnen wichtiger als ich und ich reiche ihnen nicht. Deswegen glaube ich mein ganzes Leben lang, dass ich nicht gut genug bin.

Selbstreflexion: Mein Weg aus dem inneren Gefängnis

So gern hätte ich, dass sie mich einfach lieb haben und ihnen ihr Geld und ihre Sorgen nicht mehr wichtig sind. Ich träume davon, dass sie in mein Zimmer kommen und mich umarmen. Aber es kommt niemand. Und auch ich verlasse mich – denn ich denke und fühle, dass ich Ihnen nicht reiche. Ich bin nicht genug. Und daran werde ich etwas ändern – besser werden.

So sehr brauche ich es, dass sie mir sagen, dass ich das Wichtigste für sie bin. Aber sie sind da draußen und machen sich Sorgen, streiten sich, sind unglücklich; wie ich. Ihre Angst ist meine Angst – und was mir bleibt, ist kämpfen, für sie, für mich, meine Geschwister. Ich mache einen Plan. Nur wo fange ich an? So chaotisch wie meine Gedanken sieht es auch in meinem Zimmer aus. In meinen Schulheften. In meinen Zeugnissen. Wie soll ich das nur schaffen? Und mit was beginne ich? Ich flüchte mich vor den Fernseher, wo ich meine Verzweiflung vergesse. Nur ein bisschen. Nur ein paar Stunden. Nur das ganze Wochenende.

Ich strenge mich an.

Mein ganzes Leben kämpfe ich – laufe immer schneller, in die Schule und wieder heim, und ich trage immer einen dicken Stapel mit mir herum, auf dem steht: „Versager“. Die Lehrer wissen es, wenn Sie meine Fünfen und Sechsen über die Arbeiten schreiben. Meine Mutter weiß es, wenn sie weint und schreit, „Du bist eine Flasche!“ Ich weiß es, wenn ich betrunken nach Hause komme und nur einen Wunsch habe: besser zu werden. Ich bin mir sicher: Morgen mache ich alles anders, ich werde perfekt, morgen werde ich gut.

Morgen.

Zum Glück finde ich das Schreiben – oder findet es zu mir? Ich will Autor werden, und ich werde es. Und noch immer strenge ich mich an; besser zu werden. Warum fühlt es sich nie so an, egal, wie erfolgreich ich bin? Warum bin ich nie gut genug? Warum habe ich nie genug? Warum kann ich mir nicht vorstellen, aufrichtig geliebt zu werden? Warum kann ich mir nicht vorstellen, genug zu haben?

Dafür muss ich mehr leisten.

Ich habe alle von mir überzeugt; sogar meine früheren Lehrer, meine Eltern, meine Freunde. Nur mich nicht. Der nächste Meilenstein trennt mich noch von der Zufriedenheit, dann kann ich mich fallen lassen; brauche keine Sorgen mehr übers Geld – kann Mama und Papa ein Haus kaufen. Kann das Leben genießen. Ich kann auf mich schauen, und sagen: Ich bin gut genug. Bald ist es so weit.

Bald.

Es gibt Menschen, die mich lieben und denen ich es glaube. Denn meine Liebe für sie ist so groß, dass ich etwas Neues kennenlerne: Es gibt bedingungslose Liebe und meine Kinder müssen nichts dafür tun. Auch wenn sie wollten, könnten sie nichts dagegen tun, nichts kann an meiner Liebe für sie etwas ändern. Vielleicht ging es meinen Eltern genauso, als ich allein in meinem Zimmer saß – inmitten alter Spielsachen, heimlicher Aschenbecher und zerknitterter Schulhefte, mit Tränen in den Augen Travis höre und mich einsam fühlte. Ja, ich glaube, es ging ihnen genauso. Heute kann ich es ihnen glauben. Und die Lieder von früher, die mir damals halfen, meine Trauer zu spüren, sie herauszulassen, in dieser Welt, die keinen Platz für mich zu haben schien, diese Lieder klingen jetzt schön.

Jetzt.

Innerlich umarme ich diesen viel kleineren, sich unendlich klein fühlenden Jungen in seinem Zimmer. Wüsste er doch nur, wie er sich aus seinen traurigen Geschichten, aus einem inneren Gefängnis befreien kann. Ich sitze neben ihm, nehme ihn in den Arm und flüstere: Ist das wirklich wahr? Jetzt stelle ich mich schützend vor ihn. Nicht nur für ihn. Für alle anderen kleinen Jungs, die sich nicht gut genug fühlen: weil sie andere, ihre Eltern nicht aus ihren inneren Gefängnissen befreien können. Für meine Kinder. Für alle um mich herum – für eine friedlichere Welt.

Mini-Ratgeber: Selbstreflexion für Menschen, die sich nicht gut genug fühlen

Basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen und der Selbsthilfe-Technik „The Work“ von Byron Katie, bietet Dir dieser Mini-Ratgeber praktische Tipps, wenn Du Dich oft nicht gut genug fühlst. Durch Selbstreflexion und gezielte Fragetechniken erlangst Du mehr innere Klarheit und Selbstakzeptanz.

Selbstreflexion durch „The Work“

The Work ist eine Methode, die aus vier einfachen Fragen besteht, die dabei helfen, belastende Überzeugungen zu hinterfragen und neue Perspektiven zu gewinnen. Die Fragen sind:

  • Ist das wahr?
  • Kann ich absolut sicher wissen, dass das wahr ist?
  • Wie reagiere ich auf diesen Gedanken?
  • Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?

Anwendung:

  • Nimm Dir einen belastenden Gedanken vor, zum Beispiel: „Ich bin nicht gut genug.“
  • Stelle Dir erneut die belastende Situation vor und beantworte darin die vier Fragen, ehrlich und ausführlich. Schreib Deine Antworten auf.

Die Umkehrung

Nachdem Du die vier Fragen beantwortet hast, kehre den belastenden Gedanken um und finde Beispiele, wie diese Umkehrung genauso wahr oder wahrer sein kann. Beispiel:

  • Ursprünglicher Gedanke: „Ich bin nicht gut genug.“
  • Umkehrung: „Ich bin gut genug.“

Anwendung:

  • Suche mindestens drei Beispiele in deinem Leben, die die Umkehrung unterstützen.
  • Notiere diese Beispiele und reflektiere darüber

Mehr Informationen über The Work und die vier Fragen zur Selbstreflexion findest Du im Artikel: The Work: Eine einfache Selbsthilfe-Technik für jedes Problem

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